Es war das Topspiel des sechsten Spieltages in der Premier League. Arsenal, dass erstaunlich gut in die neue Saison gestartet war, traf auf Chelsea - das noch viel besser in eben jene Saison gestartet ist. Am Ende setze sich Chelsea knapp durch, obwohl ein Unentschieden gerecht gewesen wäre. Ein Rückblick.
Taktische Grundausrichtung
Beide Teams agierten aus einer 4-2-3-1 Formation, jedoch mit unterschiedlichen Ansätzen.
(Bild von Zonal Marking, allerdings hat sich in die Grafik ein Fehler eingeschlichen. Anstatt Diaby sollte dort Ramsey stehen, da dies die Aufstellungen beider Teams nach der Auswechslung von Diaby in der 17. Minute wiederspiegelt)
Arsenal
Die Viererkette von Arsenal hatte eine klare Rollenverteilung. Jenkinson agierte etwas höher als sein Gegenüber Gibbs, beide sollten jedoch so oft wie möglich die Flanke suchen, was sie auch taten. Jenkinson flankte sogar etwas öfter als Gibbs, was überraschend ist wenn man bedenkt, dass auch Oxlade-Chamberlain, und vorher Ramsey, von rechts die Flanke suchten, während Gibbs links der Alleinunterhalter war. Diese Flanken sollten flach in den Rücken der Abwehr auf den Elfmeterpunkt oder hart in den Fünfmeterraum geschlagen werden.
In der Innenverteidigung wurde deutlich, dass man am liebsten Vermaelen am Ball haben wollte. Er war so öfter am Ball als sein Nebenmann Koscielny und spielte auch mehr Pässe. Generell war die Marschroute jedoch den Ball schnell auf die Außen oder die beiden kreativen Spanier Arteta und Cazorla zu spielen.
Im Mittelfeld gab es ebenfalls eine klare Aufgabenverteilung: Arteta agierte als Staubsauger und Schaltstation vor der Abwehr, während Diaby, später Ramsey, einen Tick offensiver waren, ohne das Zentrum zu vernachlässigen. Cazorla agierte wie immer in einer sehr freien Rolle als Spielmacher wo er dazu tendierte nach links abzudriften.
Die drei offensiven Spieler waren Podolski, Ramsey, später Oxlade-Chamberlain und Walcott, und Gervinho. Der Deutsche bekleidete den linken Flügel, zog jedoch zumeist direkt in die Mitte während Außenverteidiger Gibbs dann hinterlief und für die Breite sorgte. Oxlade-Chamberlain hielt lange die rechte Seite, das selbe galt später für Walcott. Gervinho agierte in vorderster Front und rochierte ungemein viel, besonders auf die linke Seite.
Im Laufe des Spiels stellte Wenger um, welches auch Arsenal Taktik veränderte, dazu mehr unter Auswechslungen.
Chelsea
Auch Chelsea agierte mit einer Viererkette, allerdings mit etwas anderen taktischen Ideen als Arsenal. Terry und David Luiz ließen sich bei Ballbesitz weiter auf die Außen fallen, sodass die Außenverteidiger Ivanovic und Cole vorpreschen konnten. Dafür ließ sich John Obi Mikel nach hinten fallen und bildete so de Facto fast eine Dreierkette im Ballbesitz (Eintracht Frankfurt verfolgt ein ähnliches Konzept in der Bundesliga). Das Cole und Ivanovic wenig in Erscheinung traten lag allerdings daran, dass beide einen gebrauchten Tag erwischten und viele Fehlpässe spielten. Außerdem attackierte Arsenal permanent über die Außen, wo die beiden zumeist in Unterzahl verteidigen mussten aufgrund der offensiven Dreierreihe, die wir gleich besprechen.
Im Mittelfeld war Mikel wie erwähnt die Absicherung während Ramires neben ihm eine Art Box-to-Box Spieler war der zwischen Absicherung und Offensivkraft pendelte - so in etwa wie Khedira in der Nationalmannschaft und bei Real Madrid.
Vor den beiden Sechsern, auch wenn Mikkel mehr ein Sechser und Ramires eher ein Achter war, spielte das "magische Dreieck" bestehend aus Hazard, Mata und Oscar hinter dem einzigen Stürmer Fernando Torres. Alle vier spielten sehr zentral, welches zu Möglichkeiten und Problemstellungen führte.
Chelsea offene Flanken
Roberto Di Matteo wählte mit Hazard, Mata und Oscar nicht nur die offensivere Variante sondern auch die "inverse Variante". Hätte er auf den Außen einen Spieler wie Bertrand, Moses oder Ramires gehabt wäre das Spiel mehr in die Breite gezogen worden - so wurde es in die Mitte verlagert. Hier versuchten die drei zusammen mit Torres, und teilweise Ramires, das Zentrum zu überladen. Dies gelang in einigen Situationen sehr gut, hatte jedoch beim Ballverlust das Problem, dass Chelseas Flanken komplett entblößt waren.
Arsenal nutze dies aus indem man immer wieder Angriffe über die Außenbahnen fuhr. Mehr als drei Viertel aller Angriffe wurden über die Außen eingeleitet und was noch viel interessanter ist: 70 Prozent aller Torschüsse kamen auch von dort. Gerade über die rechte Seite wurde Angriff über Angriff gefahren. Oxlade-Chamberlain hatte so nach der ersten Halbzeit fast doppelt so viele Ballkontakte wie Podolski und das obwohl der Engländer erst in der 17. Minute eingewechselt wurde.
Zum Vergleich: Bei Chelsea kamen 50 Prozent über die rechte Seite (die von Juan Mata), 50 Prozent durch die Mitte - bei Arsenal nur 25 Prozent - und gar nichts über die eigene linke Seite (die von Hazard). Chelsea glänzte dafür aber in einer anderen Disziplin: Standardsituationen.
Arsenal aus dem Spiel, Chelsea per Standard
Nicht umsonst wurde das Spiel nach ruhenden Bällen gewonnen bzw. verloren. Während Arsenal kaum Gefahr nach ruhenden Bällen ausstrahlte - außer ganz zuletzt wo man den Pfosten traf - war Chelsea brandgefährlich nach Standardsituationen.
Arsenal hatte im gesamten Spiel eine einzige Torchance nach einem ruhenden Ball - Chelsea hatte fünf. Damit resultierten mehr als 50 Prozent aller Chelsea-Chancen aus ruhenden Bällen. Nicht verwunderlich, dass man beide Tore auf diese Art und Weise erzielte. Bei beiden Gegentreffern gab es jedoch gütige Mithilfe von einem Spieler, der in der Vorwoche gegen Manchester City noch der Held war: Laurent Koscielny.
Tore
Der Führungstreffer von Chelsea entstand, wie erwähnt, aus einer Standardsituation. Vermaelen hatte unnötig gefoult und Mata schlenzte den fälligen Freistoß auf den zweiten Pfosten. Hier stand David Luiz völlig frei, Chamberlain hatte ihn einfach laufen lassen, verpasste jedoch knapp. Der Ball segelte Richtung Torres und Koscielny und da der Arsenalspieler mehr damit beschäftigt war Torres festzuhalten, anstatt die Augen auf den Ball zu richten, hatte dieser die Möglichkeit sehenswert per Direktabnahme zu vollenden.
Der Ausgleichstreffer von Arsenal entstand nach sehenswerten Aufbauspiel über, natürlich, die rechte Seite. Jenkinson bekam zu viel Zeit zum flanken, Ashley Cole schaute nur zu, und spielte den Ball, wie so viele Flanken zuvor, in den Rücken der Innenverteidigung. Hier hatte Gervinho sich abgesetzt, David Luiz und John Terry fehlte in dieser Situation die notwendige Absprache, und nach nach einer eigentlich schwachen Ballannahme vollendete Gervinho dann wunderschön aus der Drehung zum, zu diesem Zeitpunkt, verdienten Ausgleich.
Auch Chelseas Siegtreffer resultierte aus einem Freistoß. Wieder hatte Vermaelen gefoult und wieder war es Mata, der den Freistoß vor das Tor brachte. Dieses Mal schlug er den Ball allerdings mehr Mittig in den Strafraum, wo sich viele Spieler versammelt hatten. Der Ball flog mit Tempo über alle Köpfe hinweg, und Arsenal Keeper Mannone hätte den Ball wohl entschärfen können, wenn Koscielny nicht noch mit dem Knie am Ball gewesen wäre und diesen so unhaltbar verlängert hätte. Die englischen Medien schrieben Mata den Treffer zu, für mich war es ein Eigentor von Koscielny.
Auswechslungen
Arsene Wenger wurde schon nach etwas mehr als einer Viertelstunde dazu gezwungen seine erste Auswechslung zu vollziehen. Diaby hatte sich verletzt und wurde durch Oxlade-Chamberlain ersetzt. Dieser rückte auf die rechte Außenbahn, Ramsey rückte dafür neben Arteta auf die Doppelsechs. Arsenals Spiel wurde dadurch direkter, Chamberlain ist der bessere "Angreifer", aber entblößte Arsenals rechte Seite auch mehr, da Chamberlain weniger im Defensivverbund arbeitete als es Ramsey tat. Dies nutzte Chelsea jedoch nicht aus.
Mit einem Doppelwechsel in der 66. Minute spielte Wenger seine letzten beiden Trümpfe: Walcott und Giroud kamen für Ramsey und Podolski - zwei Wechsel, die zu erahnen waren. Ramsey wurde für eine offensivere Spielweise geopfert während Podolski eine Enttäuschung war, auch wenn er sich in der zweiten Halbzeit verbessert zeigte. Der Deutsche ruinierte sich sein Spiel jedoch mit zu vielen Fehlpässen.
Wie gesagt waren die Wechsel aber vorhersehbar: Auf der Arsenalbank befanden sich ansonsten nämlich nur noch ein Keeper, Mertesacker, Andre Santos und Djourou - allesamt Defensivspieler. Walcott übernahm die rechte Flanke, Chamberlain rückte zentral auf die Spielmacherposition, dafür ließ sich Cazorla neben Arteta fallen. Giroud rückte als Strafraumstürmer auf die Gervinho-Position, dieser wiederum übernahm Podolskis Position als Linksaußen. Insgesamt hatten diese Wechsel wenig Wirkung - einen Vorwurf kann man Wenger jedoch kaum machen, da er auf der Bank keine anderen Möglichkeiten vorfand.
Wie Zonal Marking richtig bemerkt, war es überraschend, dass Roberto Di Matteo so lange damit wartete seinem Linksverteidiger Cole Unterstützung zu liefern. Hazard arbeite kaum mit nach hinten, sodass Jenkinson und Chamberlain, später Walcott, immer in Überzahl gegen den ehemaligen Arsenal Spieler angreifen konnten. Erst in der 73. Minute, und meiner Meinung nach viel zu spät, wechselte Di Matteo und brachte Moses für Oscar. Dieser besetzte die linke Flanke und agierte mehr als ein klassischer linker Mittelfeldspieler als Hazard es getan hatte. Hazard wechselte nun nach rechts, Mata in die Mitte. Moses hielt die Linie und half Cole, all jenes was Hazard in den vorigen 72. Minuten nicht getan hatte.
Der zweite Chelsea-Wechsel war verletzungsbedingt. David Luiz hatte sich verletzt und wurde in der Innenverteidigung von Cahill ersetzt.
Mit dem letzten Wechsel wollte Di Matteo die Außen noch mehr schützen und brachte Bertrand für Mata. Dieser Wechsel kam erstaunlich spät, nämlich erst in der 84. Minute. Bertrand rückte auf die linke Seite und half Cole, Moses nach Rechts und unterstützte Ivanovic. Generell waren es vernünfige Wechsel, die Di Matteo tätigte, auch wenn Bertrand viel früher eine Option gewesen wäre. Einer saß damit die gesamte Spielzeit auf der Bank: Frank Lampard.
Ist Lampards Zeit vorbei?
Schon unter vorigen Trainer Villas-Boas hatte Lampard einen schweren Stand. Es ist offensichtlich, dass auch Di Matteo weiß, dass man einen Umbruch vollziehen muss in der Chelsea Elf und die Zeit für Lampard langsam abläuft. Gegen Teams die sich hinten rein stellen ist er weiterhin eine großartige Option, da er mit seiner Spielintelligenz und Torgefahr sowohl Vorbereiter als auch Vollstrecker sein kann. Gegen Teams wie Arsenal fehlt Lampard jedoch die Dynamik eines Oscar oder Ramires und die taktische Disziplin als Ausputzer zu agieren wie ein Mikel, während die offensiven Rollen von wendigeren Spielern wie Hazard, Mata und Oscar Es wird sicherlich nicht das letzte Topspiel dieser Saison sein indem Lampard auf der Bank sitzen wird.
Dies gilt offensichtlich nicht für einen anderen aus der alten Chelsea-Garde: John Terry. Dieser überzeugte mit einer starken Leistung in der Innenverteidigung. Terry hob sich besonders hervor indem er viele Situationen schon im Ansatz durch gute Antizipation klären konnte und weniger ungestüm in die Zweikämpfe ging als sein Nebenmann David Luiz. Terry kam im gesamten Spiel ohne Foul aus und klärte die meisten brenzligen Situationen (clearances) aller Spieler auf dem Platz.
Ausblick: Beide Teams mit Stürmerproblem
Auch wenn beide Stürmer einen Treffer erzielten wurde es wieder offensichtlich, dass beiden Teams ein Stürmer gehobener Klasse fehlt.
Gervinho ist kein Mittelstürmer, sondern eine gute Mischung aus einem hängenden Stürmer und einem Außenstürmer. Er rochierte ungemein viel, was als hängender Stürmer sicherlich eine gute Wahl gewesen wäre, doch in dieser Begegnung dazu führte, dass Arsenals Sturmzentrum oft total verwaist war. Dazu fehlt ihm die nötige Kaltschnäuzigkeit vor dem Tor sowie die Technik, die ein Mittelstürmer braucht um in den entscheidenden Situationen zum Abschluss kommen zu können. Ein gutes Beispiel für die mangelnde Qualität Gervinhos sah man schon in der Vorwoche gegen Manchester City, wo er alleine auf das City-Tor zu lief und diese große Chance verstolperte. Ein anderes Beispiel findet sich in eben dieser Partie, wo er freistehend Richtung Elfmeterpunkt köpfte anstatt aufs Tor (27. Minute).
Auch Chelsea hat in meinen Augen ein Sturmproblem. Torres zeigt sich stark verbessert gegenüber der Vorsaison und arbeitet enorm viel, aber auch er ist kein Stürmer der selben Gewichtsklasse wie sein Vorgänger Drogba. Ihm fehlt ebenfalls die nötige abgezocktheit vor dem Tor. Dies wurde auch gegen Arsenal wieder deutlich, als er eine große Chance nach Koscielny-Fehler vergab, weil er zu zögerlich agierte. Dazu gewinnt er zu selten die entscheidenden Zweikämpfe gegen die Innenverteidiger, auch wenn er mittlerweile besser den Ball hält und im Zusammenspiel mit seinen Mitspielern verbessert wirkt.
Guckt man sich an was für eine Qualität die Konkurrenz im Sturm besitzt muss man festhalten, dass Chelsea und Arsenal für ein Topteam im Sturm zu schwach aufgestellt sind. Liverpool hat Suarez, Everton hat Jelavic, Tottenham hat Defoe und Newcastle Demba Ba, während die Manchester Vereine zwischen Rooney, van Persie, Welbeck, Hernandez, Tevez, Dzeko und Aguero wählen können. Dies könnten eine der Kleinigkeiten sein, die am Ende den Ausschlag gibt, ob Arsenal oder Chelsea die Meisterschaft gewinnen können. Wirft man nur einen Blick auf die Qualität der Stürmer haben beide Teams gewaltigen Nachholbedarf.
Fazit
Chelsea spielte nicht gut gewann aber trotzdem, da man nach Standardsituationen mindestens eine Klasse besser war als Arsenal.
Arsenal spielte erstaunlich abwartend in der ersten Hälfte und wurde nach dem Torres-Treffer gezwungen mehr zu investieren, was man auch tat. Man kam immer wieder über die Flanken und leitete so auch sehenswert den Gervinho-Treffer ein.
In Halbzeit zwei wurde der Spielverlauf, zwangsläufig, von der frühen, erneuten Führung Chelseas beeinflusst. Die Blauen verlagerten sich jetzt auf das Konterspiel wofür man mit Hazard, Mata und Co auch prädestiniert ist. Das dabei nichts zählbares heraus sprang war schlampigen Abspielen und schlechten Laufwegen geschuldet. Arsenal kam gegen Ende der Partie wieder zu Torchancen durch Podolski und Giroud, nutzte diese allerdings nicht, sodass in einem ausgeglichenem Spiel letztendlich Chelsea als Sieger vom Platz ging.
Alle Daten von whoscored.com
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