Samstag, 30. Juni 2012

Sollte man in der Nationalelf eine Club-Begrenzung einführen?

Nach dem Halbfinalaus der deutschen Nationalmannschaft eröffnete einer meiner Freunde eine interessante Debatte: Er war der Meinung, dass man in den Nationalmannschaften eine Begrenzung einführen sollte, damit Teams nicht überwiegend mit Spielern aus einem Klub spielen. Das Argument lautete folgendermaßen:

"Ich finde zumindest, dass man in Zukunft in der Fifa die Regel einführen sollte, dass maximal 6 Spieler von einer Mannschaft in einer Nationalmannschaft spielen dürfen. Das würde vermeiden, dass man nicht aus einem Verein fast die ganze Mannschaft auflaufen lässt.... Italien spielt im Grunde genommen mit 90% Juventus Turin und Spanien mit 90% Barcelona auf dem Platz."

Befassen wir uns mal näher mit dieser Aussage.

Zum einen ist es falsch, dass beide Teams mit 90% Akteuren aus einem Team spielen. Die Spaniern hatten in keinem Spiel dieses Turnieres mehr als 6 Barcelona-Spieler gleichzeitig auf dem Feld, in den meisten Fällen waren es sogar nur 5. Damit befinden wir uns also sogar noch knapp unter 50% aller Spieler auf dem Feld. (Hier muss man jedoch anmerken, dass Puyol und David Villa sich verletzt hatten und sonst wohl sichere Starter gewesen wären. Die Zahl wäre dann auf 7 gestiegen.)

Bei den Italienern sieht es ähnlich aus, hier zeigt das Beispiel des Halbfinales auf, dass man mit 6 Spielern von Juventus Turin startete. Diese Zahl veränderte sich im Laufe des Spiels auch nicht, da Prandelli drei Spieler auswechselte, die bei anderen Vereinen ihre Brötchen verdienen, und diese auch mit Nicht-Juventus Spielern ersetze (Diamanti (Bologna), di Natale (Udinese) und Motta (PSG). 

Ironischerweise stellte die deutsche Nationalmannschaft im Halbfinale das größte Übergewicht eines einzelnen Klubs. So liefen sieben Bayern Spieler auf, dies entspricht ca 64% aller Feldspieler. Selbst hier sind wir also weit weg von den proklamierten 90% -diese werden erst erreicht, wenn eine Mannschaft mit 10 Spielern des selben Teams aufläuft.

Ich war in dieser Diskussion zu beginn erst einmal etwas überrascht, da ich die Idee, mit Verlaub, für Blödsinn halte. Als Trainer einer Nationalmannschaft hat man äußerst wenig Zeit mit seinen Spielern, logischerweise greifen Trainer deshalb gerne auf Blöcke aus Vereinsmannschaften zurück. Dies sagte Bundestrainer Löw ja auch mehrmals während dieser EM-Schlussrunde.

Ein weiterer Grund ist, dass Mannschaften, die auf Blockbildungen setzen, auch den Erfolg der jeweiligen Topmannschaften ihres Landes ausnutzen. So nutzt Italiens Trainer den Erfolg von Juventus Turin aus, das ungeschlagen Meister wurde, während Spanien auf eine Mischung aus Real Madrid Spielern, zumeist 4 Spieler, und Barcelona, zumeist 5 Spieler setzt. Die anderen beiden Positionen bekleidet zumeist David Silva von Manchester City und Jordi Alba von Valencia, der zur kommenden Saison allerdings zum FC Barcelona wechselt. 

Tragen wir die Idee etwas weiter-was sind die Argumente dafür? Eines der Argumente lautete folgendermaßen:

"Ich finde es grundsätzlich nur nicht unrealistisch so eine Regel einzuführen, weil es herausfordernd ist, so zu spielen. Immerhin trifft man sich alle 2-4 Jahre, um ein großes Turnier zu spielen."

Dies ist auf jeden Fall richtig, herausfordernd wäre es. Aber auch zwangsläufig besser?

In meinen Augen leidet die Qualität der einzelnen Nationalmannschaften darunter eine Begrenzung einzuführen. Und wieder muss man den Faktor Zeit anführen. Ein Beispiel: 

Deutschland hatte seit dem Sieg im Spiel um Platz drei gegen Uruguay im Juli 2010 bis zum ersten Gruppenspiel der EM im Juni 2012 insgesamt 22 Test- und Pflichtspiele. Zum Vergleich hat der Bundesligist Hamburger SV alleine 11 Testspiele in seiner Vorbereitung zur Saison 2012/2013, in einem Zeitraum von weniger als fünf Wochen. 

Der Grund liegt auf der Hand: Es benötigt Zeit ein System und eine Mannschaft einzuspielen, selbiges ist im extremeren Ausmaß auch zugegen, wenn um eine Nationalelf geht, wo der Trainer oftmals nur 3-4 Tage hat, um seine Mannschaft auf ein Spiel vorzubereiten. 

Dies bestätigt auch die Fußball Legende Pele, der in einem Interview jüngst urteilte

"Dieses Team (der FC Barcelona) stellt den Kern für die spanische Nationalmannschaft. Demnach besteht ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen den Erfolgen des FC Barcelona und denen des spanischen A‑Nationalteams. Das Gleiche galt früher für Ajax Amsterdam, in dessen Glanzzeiten die Niederlande ihre beste Nationalmannschaft aller Zeiten hatten. Nicht anders verhielt es sich mit dem FC Santos und Brasilien." 

Ich wage also die These, dass die Idee eine Club-Begrenzung einzuführen für weniger Qualität in den Nationalmannschaften sorgt, da es noch schwieriger wird ein Team einzuspielen. Ganz im Gegenteil profitieren Ausrichter, Fans und Nationen zugleich von dem jetzigen System. Als Beispiele kann man hier  wieder den FC Bayern und die deutsche Nationalmannschaft hervorrufen, die im WM Finale 1974 einer mit nicht weniger als 6 Bayern Spieler aufstellte und Weltmeister wurde.

Das dies nicht zwangsläufig zum Erfolg führt zeigte bei dieser Schlussrunde die russische Nationalelf, die mit sieben Spielern von Zenit St. Petersburg auflief und trotzdem nicht über die Gruppenphase hinaus kam. Eine Blockbildung alleine garantiert also keinen Erfolg.

Und um es auf die Spitze zu treiben sind wir noch weit entfernt von der Geschichte des Nationalteams von Antigua und Barbuda, dass mit einer extremen Form der Blockbildung die Qualifikation zur WM 2014 in Brasilien sichern will. 
So stehen nicht weniger als 17 Spieler des FC Barracuda, dem einzigen Profiklub des Inselstaates, der in der dritten U.S.‑amerikanischen Liga spielt, im 25-köpfigen Kader der Nationalmannschaft. 

Hier ist die Freude über diese Blockbildung groß, wie Spieler George Dublin, einer der vielen Barracuda Spieler hervorhebt:

"Der FC Barracuda ist das Beste, was unserem Fußball passieren konnte. Das ist ein riesiger Vorteil. Denn dadurch bleiben unser Stil, unser Spielsystem und unsere taktischen Vorgaben immer gleich."

Trainer der Nationalelf von Antigua und Barbuda ist übrigens der Engländer Tom Curtis, der auch Trainer vom FC Barracuda ist. Das nenne ich eine wahre Blockbildung.

1 Kommentar:

RobertTurner hat gesagt…

Ich halte es wie gesagt immer noch für eine Lösung, die nicht am Erfolg gemessen werden sollte.
Ob man mit einem Block weit kommt oder nicht ist ja an sich irrelevant. Ich denke, dass es auf längere Sicht eine Möglichkeit wäre, mit einer internationalen Mannschaft zu spielen, die nicht nur aus Spielern besteht, die fast identisch einer nationalen Mannschaft ähnelt.