Sie waren stets die sogenannte „Fahrstuhlmannschaft“. Keiner
hatte die Franken nach der gewonnenen Relegation 2010 auf der Rechnung, doch am
Ende der Saison 10/11 standen sie plötzlich vor dem offenen Tor nach Europa –
und mussten die Mainzer passieren lassen. Diese flogen schon in der Quali
wieder raus und Nürnberg begann in der Liga mit sich selbst zu hadern. Zwar
wurde mit Tomáš Pekhart ein ambitionierter Stürmer verpflichtet, doch fehlte es
den Franken oft im Mittelfeld an Ideen und Durchsetzungsvermögen. Das änderte
sich mit dem Formhoch des Stuttgarter Leihspielers Daniel Didavi und z.B. dem Neuzugang Adam Hlousek erheblich. Großen Gegnern konnte man ein Bein stellen
und die Freunde aus Schalke wurden sogar besiegt. Am Ende wurde mit Platz 10
das Saisonziel Nichtabstieg erneut schon früh vor Ende der Runde erreicht. Was bringt die neue Saison? Teil neun der Rudelbildung Saisonvorschau.
Dies ist ein Gastbeitrag von Rudelbildung Leser Nicolai Probst, der normalerweise Redakteur beim Musikmagazin Musik United Magazine ist.
Neuzugänge und Abgänge
Sechs Neuzugänge zieren die Transfertafel des „Clubs“. Der
wohl prominenteste Transfer kam erst vor wenigen Wochen zustande. Mit Hiroshi
Kiyotake (22, OM) soll Daniel Didavi's Rückkehr zum VfB ausgeglichen werden, in
66 Spielen für Osaka konnte er zudem 13 Tore erzielen, von seiner Kreativität
und seinem Spielwitz ganz zu schweigen. Zusätzlich kam von den Stuttgartern
der, nur ein Jahr ältere, Rechtsaußen Timo Gebhart (23) für die gleiche
Ablösesumme wie Kiyotake – geschätzt 1.000.000 Euro. Dazu kamen die noch
jüngeren Talente Roussel Ngankam (18, ST), Noah Korczowski (18, IV) und
Sebastian Polter (21, ST), letzterer ist allerdings nur vom VfL Wolfsburg
geliehen. Für den abgehenden Wollscheid wurde noch ein Routinier für die Abwehr
verpflichtet, der Brasilianer Marcos António (29, IV) kam vom Rumänischen
Hauptstadtverein Rapid Bukarest ablösefrei nach Franken.
Die Liste der Abgänge liest sich in diesem Jahr länger als
die Liste der Zugänge, wenngleich nur ein abgeworbener Spieler dem Club
Einnahmen brachte. Phillip Wollscheid (23, IV) wird in Zukunft für die Werkself
aus Leverkusen kicken, das wurde dem FCN mit satten 5.000.000 Euro Ablöse
versüßt. Der Schweizer Albert Bunjaku (28, ST) wird sein Glück in Zukunft in
der 2. Liga beim 1. FC Kaiserslautern versuchen, mit ihm gehen noch Christian
Eigler (28, ST) und Dominic Maroh (25, IV) zu den Zweitligisten Ingolstadt und
Köln. Manuel Zeitz (21, ZM) wird nur auf Leihbasis nach Paderborn wechseln,
kann daher also nicht als Abgang bezeichnet werden. Christoph Sauter (20, RA),
der eben erst von seiner Leihe aus Aalen zurückkehrte, wurde direkt an
Karlsruhe in die 3. Liga weitervermittelt, diesmal allerdings ohne
Rückfahrschein. In ein Oberhaus geht es dagegen für Rubin Okotie (25, ST). Der
Österreicher konnte sich beim FCN nicht durchsetzen und wechselt nach
erfolgreicher Leihe nun fest zum SK Sturm Graz.
Insgesamt wurde die Qualität im Kader damit mindestens
gehalten, wenn nicht sogar verbessert. Es bleibt abzuwarten wie sich der
Japaner Kiyotake in die Bundesliga einleben wird. Im Idealfall wird er das Heft
in die Hand nehmen und auch mit dem ein oder anderen Treffer glänzen. Mit Sebastian
Polter und Roussel Ngankam sind zudem gute Backups im Sturm verpflichtet
worden, sollte Alexander Esswein mal wieder im Formtief stecken. Ob Trainer
Hecking letztendlich mit nur einer Spitze oder doch zwei Sturmspielern
auflaufen lassen will ist momentan noch eine Frage des Saisonstarts. Sollte der
Club hier schnell punkten können, steht einer zweiten Spitze sicher nichts im
Weg.
Taktik
Womit wir auch gleich bei der Taktik wären. Hier wird
Hecking wahrscheinlich mit einer Viererkette und einem starken
Mittelfeldverbund spielen. Ob er hier auf ein 4-5-1, ein 4-4-1-1 oder gar ein
4-4-2 setzen wird ist momentan noch nicht abzusehen. Es wird darauf ankommen
auf welcher Position Alexander Esswein spielen wird und ob er überhaupt spielt.
Falls er spielt, dann wohl als Linksaußen, was für das linke Mittelfeld wohl
bedeutet, dass Adam Hlousek auf lange Sicht hier einen Stammplatz ergattern
möchte. Pekhart scheint im Sturm gesetzt, wenn Polter allerdings Druck macht
könnte er schnell wackeln und der Rotation zum Opfer fallen.
Testspiele
Fast hätte der Club ungeschlagen in die neue Saison gehen
können, der 10. Test gegen Real Betis Sevilla / Real Betis Balompié ging mit
0:1 verloren, allerdings spielten die Spanier hier auch mit übertriebener Härte
– und das in der Vorbereitung. Zuvor wurde bei Marek Mintal's Abschiedsspiel
der amtierende deutsche Meister Borussia Dortmund mit einem 4:2 nach Hause
geschickt. Bei den Dortmundern fehlten nur wenige Stammkräfte, die EM-Fahrer
aus Polen wurden im Laufe der Partie zusätzlich eingewechselt. Es fiel auf,
dass Dortmund noch starke Defizite in der Abwehr hatte, doch das ist Thema
eines anderen Artikels. Nürnberg spielte 3 von 10 Mal unentschieden und hatte
auch sonst ein paar Probleme die Spiele klar für sich zu entscheiden, konnte
aber immer noch rechtzeitig aus dem Loch herausfinden.
Baustellen
Eigentlich könnte man dieses Thema beim Club auch gut und
gerne auf mehreren Seiten ausschlachten, doch in dieser Saison sieht es gar
nicht mal so schlecht aus. Die Abwehr ist durch António klar verstärkt worden,
um den zweiten Stammplatz kämpfen momentan noch Per Nilsson und Timm Klose. Die
Außen sind hinten gesetzt und auch im Mittelfeld scheinen die Positionen klar
zu sein. Timmy Simons und Hiroshi Kiyotake sollen die Geschicke lenken und die
Seitenspieler Hlousek, Mak oder Frantz füttern. Vielleicht wird auch noch ein
weiterer Name um die Stammplätze spielen, momentan zeichnet sich das aber noch
nicht ab. Im Sturm kann Nürnberg aus mindestens 4 Alternativen wählen, hier
werden mittelfristig keine Personalprobleme entstehen.
An der Verbindung von
Mittelfeld und Sturm muss gearbeitet werden, doch hat der Japaner Kiyotake bis
jetzt noch nicht viel Zeit mit der Mannschaft verbringen können – er stand im
Spiel um die olympische Bronzemedaille in London.
Stärke
Kreative junge Spieler, die langfristig an den Club gebunden
sind. Endlich kann der Club weggehen von einer Saison der Leihspieler, endlich
kann wieder ein starker Nachwuchs aufgebaut werden. Die 5.000.000 Euro, die
durch Wollscheid in die Kassen gespült wurden, bilden zudem eine wichtige
Sicherheit für die finanziellen Planungen der Franken. Die Erfahrung der
Spieler Schäfer, Pinola und Simons kann für die jungen Recken noch wichtig
werden, das zeigte sich auch schon in der abgelaufenen Spielzeit.
Positives Überraschungspotential
Wenn Hiroshi Kiyotake zu seiner Topform findet, kann er die
Liga etwas aufmischen. Zwar glaubt beim FCN noch niemand an einen Zweiten
Kagawa, ausschließen sollte man es allerdings nie. Es gab beim FCN schon ganz
andere Geschichten von slowakischen Torjägern, die dann auch in den deutschen
Bundesligen wirbelten und die Torjägerkanonen für sich beanspruchen konnten.
Sebastian Polter sollte in der Sturmplanung ebenfalls eine große Rolle spielen,
sofern er seine Form beibehalten kann.
Potentieller Gefahrenherd
Fällt António in der Innenverteidigung aus, so droht eine
instabile Viererkette. Timm Klose ist noch nicht auf Bundesliga-Niveau und kann
keinen dauerhaften Ersatz bilden. Vielleicht schlägt der Club hier auch nochmal
auf dem Transfermarkt zu, jedoch gab es hierzu noch keine Anzeichen. Momentan
mutet die Personalplanung in der Viererkette zumindest noch etwas gewagt an, es
wird sich zeigen wie konstant die Leistungen sein werden.
Schäfer - Chandler, Nilsson, M. Antonio, Pinola - Simons, Balitsch - Frantz, Gebhart, Esswein - Pekhart
Mögliche Startelf
Prognose
Es fällt schwer den Club genau einzuordnen. Der Anspruch
liegt deutlich unterhalb des Tabellenmittelfelds, doch mit der Unterstützung
der Nürnberger Fangruppierungen konnte im letzten Jahr schon so mancher Gegner
doch noch geschlagen werden. Da der Club gerne erst in der Rückrunde so richtig
wach wird, kann der Kurs entweder in Richtung Relegation oder in Richtung
Europa gehen. Die letzten beiden Spielzeiten geben auf jeden Fall die nötige
Hoffnung auf irgendetwas zwischen den genannten Möglichkeiten, möglich bleibt
dennoch alles. Platz 9-12.
Nicolai Probst ist Redakteur beim Musikmagazin Musik United Magazine. Ich empfehle wärmstens dort mal vorbei zu schauen!
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