Dienstag, 14. August 2012

Die Rudelbildung Saisonvorschau: 1. FC Nürnberg

Sie waren stets die sogenannte „Fahrstuhlmannschaft“. Keiner hatte die Franken nach der gewonnenen Relegation 2010 auf der Rechnung, doch am Ende der Saison 10/11 standen sie plötzlich vor dem offenen Tor nach Europa – und mussten die Mainzer passieren lassen. Diese flogen schon in der Quali wieder raus und Nürnberg begann in der Liga mit sich selbst zu hadern. Zwar wurde mit Tomáš Pekhart ein ambitionierter Stürmer verpflichtet, doch fehlte es den Franken oft im Mittelfeld an Ideen und Durchsetzungsvermögen. Das änderte sich mit dem Formhoch des Stuttgarter Leihspielers Daniel Didavi und z.B. dem Neuzugang Adam Hlousek erheblich. Großen Gegnern konnte man ein Bein stellen und die Freunde aus Schalke wurden sogar besiegt. Am Ende wurde mit Platz 10 das Saisonziel Nichtabstieg erneut schon früh vor Ende der Runde erreicht. Was bringt die neue Saison? Teil neun der Rudelbildung Saisonvorschau.

Dies ist ein Gastbeitrag von Rudelbildung Leser Nicolai Probst, der normalerweise Redakteur beim Musikmagazin Musik United Magazine ist.


Neuzugänge und Abgänge

Sechs Neuzugänge zieren die Transfertafel des „Clubs“. Der wohl prominenteste Transfer kam erst vor wenigen Wochen zustande. Mit Hiroshi Kiyotake (22, OM) soll Daniel Didavi's Rückkehr zum VfB ausgeglichen werden, in 66 Spielen für Osaka konnte er zudem 13 Tore erzielen, von seiner Kreativität und seinem Spielwitz ganz zu schweigen. Zusätzlich kam von den Stuttgartern der, nur ein Jahr ältere, Rechtsaußen Timo Gebhart (23) für die gleiche Ablösesumme wie Kiyotake – geschätzt 1.000.000 Euro. Dazu kamen die noch jüngeren Talente Roussel Ngankam (18, ST), Noah Korczowski (18, IV) und Sebastian Polter (21, ST), letzterer ist allerdings nur vom VfL Wolfsburg geliehen. Für den abgehenden Wollscheid wurde noch ein Routinier für die Abwehr verpflichtet, der Brasilianer Marcos António (29, IV) kam vom Rumänischen Hauptstadtverein Rapid Bukarest ablösefrei nach Franken.

Die Liste der Abgänge liest sich in diesem Jahr länger als die Liste der Zugänge, wenngleich nur ein abgeworbener Spieler dem Club Einnahmen brachte. Phillip Wollscheid (23, IV) wird in Zukunft für die Werkself aus Leverkusen kicken, das wurde dem FCN mit satten 5.000.000 Euro Ablöse versüßt. Der Schweizer Albert Bunjaku (28, ST) wird sein Glück in Zukunft in der 2. Liga beim 1. FC Kaiserslautern versuchen, mit ihm gehen noch Christian Eigler (28, ST) und Dominic Maroh (25, IV) zu den Zweitligisten Ingolstadt und Köln. Manuel Zeitz (21, ZM) wird nur auf Leihbasis nach Paderborn wechseln, kann daher also nicht als Abgang bezeichnet werden. Christoph Sauter (20, RA), der eben erst von seiner Leihe aus Aalen zurückkehrte, wurde direkt an Karlsruhe in die 3. Liga weitervermittelt, diesmal allerdings ohne Rückfahrschein. In ein Oberhaus geht es dagegen für Rubin Okotie (25, ST). Der Österreicher konnte sich beim FCN nicht durchsetzen und wechselt nach erfolgreicher Leihe nun fest zum SK Sturm Graz.

Insgesamt wurde die Qualität im Kader damit mindestens gehalten, wenn nicht sogar verbessert. Es bleibt abzuwarten wie sich der Japaner Kiyotake in die Bundesliga einleben wird. Im Idealfall wird er das Heft in die Hand nehmen und auch mit dem ein oder anderen Treffer glänzen. Mit Sebastian Polter und Roussel Ngankam sind zudem gute Backups im Sturm verpflichtet worden, sollte Alexander Esswein mal wieder im Formtief stecken. Ob Trainer Hecking letztendlich mit nur einer Spitze oder doch zwei Sturmspielern auflaufen lassen will ist momentan noch eine Frage des Saisonstarts. Sollte der Club hier schnell punkten können, steht einer zweiten Spitze sicher nichts im Weg.

Taktik

Womit wir auch gleich bei der Taktik wären. Hier wird Hecking wahrscheinlich mit einer Viererkette und einem starken Mittelfeldverbund spielen. Ob er hier auf ein 4-5-1, ein 4-4-1-1 oder gar ein 4-4-2 setzen wird ist momentan noch nicht abzusehen. Es wird darauf ankommen auf welcher Position Alexander Esswein spielen wird und ob er überhaupt spielt. Falls er spielt, dann wohl als Linksaußen, was für das linke Mittelfeld wohl bedeutet, dass Adam Hlousek auf lange Sicht hier einen Stammplatz ergattern möchte. Pekhart scheint im Sturm gesetzt, wenn Polter allerdings Druck macht könnte er schnell wackeln und der Rotation zum Opfer fallen.

Testspiele

Fast hätte der Club ungeschlagen in die neue Saison gehen können, der 10. Test gegen Real Betis Sevilla / Real Betis Balompié ging mit 0:1 verloren, allerdings spielten die Spanier hier auch mit übertriebener Härte – und das in der Vorbereitung. Zuvor wurde bei Marek Mintal's Abschiedsspiel der amtierende deutsche Meister Borussia Dortmund mit einem 4:2 nach Hause geschickt. Bei den Dortmundern fehlten nur wenige Stammkräfte, die EM-Fahrer aus Polen wurden im Laufe der Partie zusätzlich eingewechselt. Es fiel auf, dass Dortmund noch starke Defizite in der Abwehr hatte, doch das ist Thema eines anderen Artikels. Nürnberg spielte 3 von 10 Mal unentschieden und hatte auch sonst ein paar Probleme die Spiele klar für sich zu entscheiden, konnte aber immer noch rechtzeitig aus dem Loch herausfinden.

Baustellen

Eigentlich könnte man dieses Thema beim Club auch gut und gerne auf mehreren Seiten ausschlachten, doch in dieser Saison sieht es gar nicht mal so schlecht aus. Die Abwehr ist durch António klar verstärkt worden, um den zweiten Stammplatz kämpfen momentan noch Per Nilsson und Timm Klose. Die Außen sind hinten gesetzt und auch im Mittelfeld scheinen die Positionen klar zu sein. Timmy Simons und Hiroshi Kiyotake sollen die Geschicke lenken und die Seitenspieler Hlousek, Mak oder Frantz füttern. Vielleicht wird auch noch ein weiterer Name um die Stammplätze spielen, momentan zeichnet sich das aber noch nicht ab. Im Sturm kann Nürnberg aus mindestens 4 Alternativen wählen, hier werden mittelfristig keine Personalprobleme entstehen.

An der Verbindung von Mittelfeld und Sturm muss gearbeitet werden, doch hat der Japaner Kiyotake bis jetzt noch nicht viel Zeit mit der Mannschaft verbringen können – er stand im Spiel um die olympische Bronzemedaille in London.

Stärke

Kreative junge Spieler, die langfristig an den Club gebunden sind. Endlich kann der Club weggehen von einer Saison der Leihspieler, endlich kann wieder ein starker Nachwuchs aufgebaut werden. Die 5.000.000 Euro, die durch Wollscheid in die Kassen gespült wurden, bilden zudem eine wichtige Sicherheit für die finanziellen Planungen der Franken. Die Erfahrung der Spieler Schäfer, Pinola und Simons kann für die jungen Recken noch wichtig werden, das zeigte sich auch schon in der abgelaufenen Spielzeit.

Positives Überraschungspotential

Wenn Hiroshi Kiyotake zu seiner Topform findet, kann er die Liga etwas aufmischen. Zwar glaubt beim FCN noch niemand an einen Zweiten Kagawa, ausschließen sollte man es allerdings nie. Es gab beim FCN schon ganz andere Geschichten von slowakischen Torjägern, die dann auch in den deutschen Bundesligen wirbelten und die Torjägerkanonen für sich beanspruchen konnten. Sebastian Polter sollte in der Sturmplanung ebenfalls eine große Rolle spielen, sofern er seine Form beibehalten kann.

Potentieller Gefahrenherd

Fällt António in der Innenverteidigung aus, so droht eine instabile Viererkette. Timm Klose ist noch nicht auf Bundesliga-Niveau und kann keinen dauerhaften Ersatz bilden. Vielleicht schlägt der Club hier auch nochmal auf dem Transfermarkt zu, jedoch gab es hierzu noch keine Anzeichen. Momentan mutet die Personalplanung in der Viererkette zumindest noch etwas gewagt an, es wird sich zeigen wie konstant die Leistungen sein werden.


Mögliche Startelf

Schäfer - Chandler, Nilsson, M. Antonio, Pinola - Simons, Balitsch - Frantz, Gebhart, Esswein - Pekhart

Prognose

Es fällt schwer den Club genau einzuordnen. Der Anspruch liegt deutlich unterhalb des Tabellenmittelfelds, doch mit der Unterstützung der Nürnberger Fangruppierungen konnte im letzten Jahr schon so mancher Gegner doch noch geschlagen werden. Da der Club gerne erst in der Rückrunde so richtig wach wird, kann der Kurs entweder in Richtung Relegation oder in Richtung Europa gehen. Die letzten beiden Spielzeiten geben auf jeden Fall die nötige Hoffnung auf irgendetwas zwischen den genannten Möglichkeiten, möglich bleibt dennoch alles. Platz 9-12.

Nicolai Probst ist Redakteur beim Musikmagazin Musik United Magazine. Ich empfehle wärmstens dort mal vorbei zu schauen!

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