Mittwoch, 16. Mai 2012

"Emotionen respektieren" oder Sicherheit vor?

Wie viele andere habe ich das Relegationsrückspiel zwischen Fortuna Düsseldorf und Hertha BSC am Fernseher verfolgt. Ein hochdramatisches Spiel indem man am Ende leider nicht den Spielverlauf diskutiert, sondern das Verhalten von einigen "Fans" in der Kurve.

Was mich generell schon seit längerer Zeit stört ist die Phrase "Emotionen respektieren". Ich gehe auch für mein Leben gerne in ein Stadion und freue mich über die fanatischen Fans, die Choreographien vorbereiten und ihre Mannschaft nach vorne schreien. Ohne diese Menschen wäre es in Stadien so stimmungsvoll wie in meiner Dorfkirche am Sonntag morgen. Dafür bin ich dankbar, ich bin eher der Typ "Langeweile" der das Spiel lieber analysieren will und auch relativ objektiv eingestehen kann wenn meine Mannschaft schlecht spielt und zurecht verliert. 

Ich weiß, so geht es den meisten Fans nicht und das ist ja auch gut so, jedem das seine. Bei einem Punkt werde ich dann aber doch irgendwann intolerant und zwar wenn es um Schwachköpfe wie an diesem Abend in Düsseldorf geht.

Die eigene Mannschaft kassiert das 1:2 und zack schlägt die Stunde der frustrierten Krawallmacher. Immer munter mit Feuerwerkskörpern auf den Platz und das Spiel wird unterbrochen. Wenn ich dann in diversen Internet-Foren solche Kommentare lese:

"Nachvollziehbar. Würde mich als Absteiger auch an jeden Strohhalm klammern. Und dennoch: Emotionen gehören zum Spiel. Wer das nicht will, soll Schach schauen gehen."
"Das ist Fussball!"
"warum sollten Spiele abgebrochen werden nur weil Fans auf den Tribünen Pyrotechnik zünden? Behindert den Spieltrieb nicht im Mindesten (außer im schlimmsten Fall 2-3 Minuten bei schlechter Wetterlage) - dafür gibts die geilsten Choreos! Ein Platzsturm hingegen ist in der Tat ein Problem für den Spielbetrieb^^"
"Lasst euch nicht von den Panikansprachen eines Beckmanns mitreißen! Das sind wilde Fußballemotionen. Solange niemand ernstlich verletzt wird und es zu keinen schlimmen Ausschreitungen kommt ist es doch aus meiner Sicht halb so wild.."

Dann weiß ich nicht, ob ich lachen oder weinen möchte. Für lachen ist die Situation allerdings zu ernst. Wie jemand richtig sagte ist dieser Vergleich genauso als ob mit hundert über die roten Ampeln fahre und sage, dass ist halb so wild, solange nichts passiert.

Es gibt gewisse Regeln, welche notwendig für ein soziales Zusammenleben sind. Dies mag einigen nicht bekommen, aber das Problem mit solchen "Fans" ist eben genau dieses: Man stellt sich über das Gesetz, weil man meint es besser zu wissen. Diese Gesetze zu akzeptieren ist ganz einfach eine Frage von Respekt und Toleranz. Und genau das ist es was diese "Fans" ja auch selber verlangen. Wie wäre es dann sich unterzuordnen? Gilt anscheinend nur in eine Richtung. Das Problem ist leider nur, dass wir dann nicht mehr von Toleranz und Respekt sprechen, sondern von Intoleranz und Ignoranz.

Eine weitere Aussage, die ich heute auch immer wieder gehört habe geht ca. so:

"Wofür werden den die Ordner und Polizisten mit Steuergeldern bezahlt ? Unglaublich sowas."


Ich denke die meisten können sofort sehen wie hirnlos diese Aussage ist. 

Erstmal ist es natürlich alleine aus personellen Gründen nicht möglich zu einem Spiel 25.000 Polizisten und Sicherheitskräfte zu haben. Der nächste Punkt ist, dass wenn dies der Fall wäre würden die "Fans" sofort vom "Überwachungsstaat" und "DFB Bonzen" schmadronieren sowie die Rolle der Polizei ankreiden. 

Das Konzept des Stadions und Fußballs ist, dass man auf Vernunft baut. Man vertraut den Zuschauern, dass sie sich benehmen-einige "Fans" nutzen dies leider schamlos aus. Diese "Fans" sind es auch die unsere Gesellschaft als eine "Big Brother" Gesellschaft kritisieren. Wieso haben wir diese steigenden Tendenzen des "vorbeugendem" Staate wohl? Weil es leider oftmals notwendig ist. Freiheit und Vertrauen setzen Verantwortungsbewusstsein und Reife voraus-beides suche ich hier wohl vergebens.

Wie so oft in einer Gesellschaft beschützt man sich vor dem schlimmsten anstatt auf das beste zu hoffen-vollkommen zurecht. Die Pflicht eines jeden Vereins muss es sein für einen reibungslosen Ablauf des Spiels zu sorgen und den Zuschauer zu schützen. Beide Teams haben gestern auf ganzer Linie versagt.

Die Berliner haben nicht erst seit gestern mit solchen Halbstarken zu tun, man erinnere sich an die Szenen als der letzte Abstieg nicht mehr abzuwenden war. Auch in Karlsruhe ereigneten sich gestern hässliche Szenen. Wenn dann jemand davon spricht, dass

"Es heisst doch Emotionen respektieren. Verdammt die steigen gerade ab, da sollte so ein bisschen Frustabbau erlaubt sein"

frustriert mich unsere Gesellschaft wieder einmal. Ich verallgemeinere hiermit nicht, aber wir alle wissen, was für ein Imageschaden unser geliebter Fußball erleidet. Möchten wir gerne Verhältnisse wie in England haben? Möchten wir gerne nur noch Sitzplätze haben und vor dem Spiel flughafen-ähnliche Kontrollen über uns ergehen lassen? Deswegen komme ich auch nicht darum zu denken was man wohl in den Kurven denkt, wenn in meinem Block mal wieder einer einen Bengalo auf den Platz geworfen hat. Stichwort Zivilcourage.

Die Frage die sich jetzt stellt ist was sind die Konsequenzen und sollte es welche geben. Ich bin der Meinung, dass man hier ein Exempel statuieren muss. Wie einige richtig angemerkt haben hat der DFB und die DFL langsam ein Erklärungsproblem, wenn man immer nur Klubs wie Rostock und Dresden bestraft und hier nicht einschreitet.

Ich bin kein Schiedsrichter, aber die Regeln habe ich mir doch mal durchgelesen und stolpere über folgenden Absatz:

"Wenn die Wetterlage oder Zuschauerausschreitungen eine Gefährdung der Spieler darstellen oder die Platzverhältnisse ein ordnungsgemäßes Spiel nicht mehr zulassen, kann das Spiel abgebrochen werden. Hier muss aber zuerst das Spiel unterbrochen werden, wobei die Unterbrechung 30 Minuten nur dann überschreiten soll, wenn absehbar ist, dass das Spiel in Kürze fortgeführt werden kann, ansonsten ist das Spiel abzubrechen."

Schiedsrichter Stark unterbrach das Spiel mehrere Male und mir fehlt jegliches Verständnis dafür, dass dieses Spiel mehr als 97 Minuten andauern durfte. Nach dem 1:2 und den angesprochenen Reaktionen aus dem Berliner Block, die fliegenden Bengalos nahmen kein Ende verfehlten nur knapp einige Ordner und trafen fast Thomas Kraft, gab es für mich nur eine Konsequenz: Spielabbruch. 

Selten stimme ich mit Michael Preetz überein, aber hier hat er vollkommen recht:

"So darf ein Fußballspiel nicht ausgehen. Die Sicherheit der Spieler war nicht mehr gewährleistet."

Diese Aussage richtete sich wohl mehr in Richtung eines erhofften Wiederholungsspiels, aber man kann sie genauso gut gegen die Berliner anwenden.

Eine weitere Sache die das Spiel gestern illustrierte ist auch wie sehr das Verhalten der Berliner "Fans" dem eigenen Team schadete. Ich spreche nicht vom Image, sondern davon, dass die Hertha über 60. Minuten das bessere Team war und unglücklich das 1:2 kassierte. Zu diesem Zeitpunkt wäre der Sieg und Klassenerhalt sicherlich noch möglich gewesen-was ihn aber schier unmöglich machte war das Verhalten aus dem Berliner Block. Die Verzögerung der "Fans" entschied das Spiel so mit. Minutenlang konnten die Hertha Spieler nicht auf den Rückstand reagieren und resignierten. Vielen Dank, liebe "Fans"! 

Ich heiße das Verhalten der Düsseldorfer Fans nicht gut, man wollte den Aufstieg feiern und das geschah aus Versehen etwas zu früh-aber es ändert nichts an dem Grundproblem. Wo wir wieder bei Respekt wären.

Warum muss man einen Platz überhaupt stürmen? Beziehungsweise ich kenne die Gründe dazu, aber wieder geht es um Toleranz und Respekt. Hat irgendein Fan schon einmal darüber nachgedacht, dass die Spieler ihren Erfolg (erstmal) im Kreise der Mannschaft auf dem Platz feiern wollen? Ich denke nicht, dass es spaßig ist, wenn ein halber Fanclub auf einem drauf hängt und man nur mit Hilfe von Sicherheitskräften wieder halbwegs unbeschadet in die Kabine kommt. Geile Aufstiegsfeier. 

Die Fans kommen auf ihre Kosten, nehmen noch einmal ein Stück Rasen mit und die Spieler flüchten. Meiner Meinung nach sollte man Spielern wenigstens die Möglichkeit geben 2-3 Minuten Zeit zu haben den Platz zu verlassen. Die, die mit den Fans feiern möchten bleiben, die anderen können in die Kabine. Hier klage ich nicht die Ordner an, sondern die Fans, die mal wieder ihre eigenen Bedürfnisse über alles andere stellen. Nein, ich respektiere keine Emotionen solange man nicht auch die Fähigkeit hat über den eigenen Tellerrand zu schauen. Stichwort Empathie.

Man stelle sich das mal vor: Meine Mannschaft steigt auf und der Platz ist umstellt von Polizisten und Ordnungskräften. Was wie Gladiatoren-Kämpfe im alten Rom klingt spiegelt ein Spiel im Mai 2012 wieder.

Sobald der DFB seine Strafe ausspricht werden dann wieder alle über "die da oben" sprechen, die von richtigem Fußball keine Ahnung haben und proklamieren: "Die sollen mal in die Kurve kommen!"

Nein Danke, liebe Fans. In diese Kurven möchte niemand gehen. Und dies gilt nicht nur für euch Bengalo-Bratzen, sondern für jeden einzigen der ein Fußball-Stadion betritt und sowas tatenlos geschehen lässt. Ich hoffe der DFB greift endlich einmal richtig durch (und revidiert sein Urteil nicht wie im Falle Dresden). Vielleicht setzt in der Kurve dann mehr Zivilcourage und Toleranz ein. 

Ich respektiere auf jeden Fall keine Emotionen solange man nicht auch die Fähigkeit hat über den eigenen Tellerrand zu schauen und zuerst an das Gemeinwohl der Fans und Zuschauer zu denkt und dann an sich. Stichwort Empathie. Die ist mir vielleicht auch mittlerweile abhanden gekommen. Dann hat die Minderheit wohl leider gewonnen.

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