Freitag, 20. April 2012

Die Rudelbildung Vorschau zum 32. Spieltag: Dortmund-Gladbach

Das Rudelbildung Spiel der Woche wurde das Topspiel, auf jeden Fall auf dem Papier, zwischen den Dortmundern und den Gladbachern. Die Dortmunder können und werden wohl an diesem Samstag-Abend ihr Meisterstück feiern und damit das erste Team seit 16 Jahre sein, dass dem großen FC Bayern die Meisterschaft zwei Jahre in Folge verwehrt.

Die Gladbacher feiern nach ebenfalls 16 Jahren die Rückkehr in den internationalen Fußball, doch wollen sich nicht mit einem Qualifikationsrang für die Champions League zufrieden geben. Wer behält die Überhand im Duell kommender Meister gegen kommender CL-Teilnehmer?

Borussia Dortmund-Borussia Mönchengladbach

Da wir beide Teams schon oft in dieser Saison behandelt haben, die Dortmunder sind unser Dauerbrenner und die Gladbacher erst letzte Woche im Derby-Sieg gegen die Kölner, empfehlen wir auch einen Blick auf die vorherigen Artikel zu den beiden Teams zu werfen. Vieles wiederholt sich in den Vorschauen, da beide Teams die Saison über mit dem selben Konzept agieren und von diesem nur äußerst selten abrücken. Trotzdem werden wir versuchen einige Lehren aus dem Hinspiel zu ziehen.

Lehren aus dem Hinspiel und Fragen zur Begegnung am Wochenende

Im Hinspiel (1:1) mussten die Gladbacher auf Marco Reus verzichten und da auch de Camargo ausfiel wählte Favre, für viele überraschend, Raul Bobadilla für die Position des zweiten Angreifers. Da Patrick Herrmann auf der rechten Seite äußerst offensiv agierte, während Arango eher zentral agierte und von dort das Spiel gestaltete, spielte Gladbach zu Zeiten fast in einem 4-3-3.

Hiermit störte man besonders Mats Hummels in seinem Aufbauspiel, ein taktisch guter Schachzug von Favre. Durch die hohe Positionierung auf dem Feld ließ man die Dortmunder ebenfalls oft ins Abseits laufen, sieben Mal hob der Linienrichter die Fahne zum Nachteil der Dortmunder.

Ebenfalls interessant zu sehen war wie Gladbach die rechte Seite beackerte, hier sicherte Roman Neustädter nämlich Außenverteidiger Jantschke ab, sodass dieser sich wesentlich öfter ins Offensivspiel einschaltete. Drei Flanken schlug dieser im Laufe der Begegnung, alle anderen Gladbacher Feldspieler kamen auf nur fünf im gesamten Spiel. Diese taktische Variante wurde weiter dadurch bestärkt, dass Jantschke der Gladbacher mit den meisten Ballkontakten war. Es wird also interessant zu sehen, wie die Dortmunder reagieren, falls die Gladbacher diese Variante des offensiven Außenverteidigers wieder anwenden würden.

Auf Dortmunder Seite fiel auf, dass die beiden Außenverteidiger Schmelzer und Piszczek noch offensiver als gewohnt agierten. Klopp hatte sichtlich seine Hausaufgaben gemacht und sah, dass die Gladbacher eines der eher defensiveren Außenverteidiger-Pärchen aufbietet. So schlugen die beiden Dortmunder zusammen fast genauso viele Flanken wie das gesamte Gladbacher Team.

Aus dem 4-2-3-1/4-4-1-1/4-4-2 System pressten die Dortmunder so zu beginn sehr hoch. Dies änderte sich im Verlauf der Begegnung, wo man die Gladbacher mehr spielen ließ. So verzeichneten die Fohlen am Ende deutlich mehr Pässe, Ballkontakte und Pässe als der BVB. Trotzdem hatten beide Mannschaften oft Schwierigkeiten sich Torchancen zu erspielen. Nicht überraschend resultieren die Hälfte aller Torchancen aus ruhenden Bällen und Dante verzeichnete auf Gladbacher Seite die meisten Torschüsse. Dies ist sehr interessant, wenn man sieht wie die Dortmunder ihr Spiel nach dem Abgang von Sahin zur neuen Saison gewandelt und modifiziert haben.

So verzeichnet man diese Saison mehr Ballbesitz als in der letzten und steigerte seine Passsicherheit ebenfalls. Ein Aspekt hat sich jedoch nicht verändert, nämlich das direkte Spiel in die Spitze. Obwohl die Dortmunder im oberen Drittel zu finden sind wenn es um Ballbesitz geht ist man nur im Mittelfeld wenn es um die Anzahl der gespielten Pässe geht. Dortmund ist in diesem Bereich ein Gegenstück zu Teams wie Bayern und Barcelona, die sich ihren Gegner zurecht legen wollen und mit langen Ballstafetten zum Erfolg kommen wollen.


Für das Duell am Wochenende kann man also gespannt sein, ob beide Teams wieder hoch pressen werden und wie die jeweiligen Außenverteidiger agieren werden. Im Hinspiel profitierten die Gladbacher ebenfalls von den überragenden Zweikampfwerten der defensiven Achse, Daems, Dante, Stranzl und Neustädter, die allesamt mehr als 66% ihrer Zweikämpfe gewannen. Dies spiegelte sich auch in den generellen Zweikampfwerten wieder, wo die Gladbacher starke 55% gewannen.

Auch wird es interessant sein, wie die Gladbacher mit Reus und Hanke im Sturm agieren würden, da die beiden das vielleicht beste Sturmduo der Liga bilden und dem Gladbacher Offensivspiel eine ganz andere Komponente geben, als es ein de Camargo oder Bobadilla könnte.

Die Rollen von Mike Hanke und Marco Reus


Mit dem Sturmduo Hanke und Reus verfügt Gladbach, ähnlich wie Dortmund mit Lewandowski und Kagawa, über ein hochmodernes Pärchen vor dem gegnerischen Tor.

Hanke ist zwar gelernter Mittelstürmer, lässt sich jedoch oftmals tief fallen oder weicht auf die Flügel oder ins Mittelfeld aus. Seine technischen Qualitäten und Passstärke machen den ehemaligen Schalker zu einem Prachtexemplar eines spielenden Mittelstürmers, der erkannt hat, dass der Beruf Strafraumstürmer so langsam nicht mehr ausgeschrieben wird.

Reus war im Hinspiel nicht verfügbar, bewies jedoch in dieser Saison schon mehrmals seinen Wert. In einem gut funktionierenden Team ist er die Prise Salz, die aus einem guten Team ein richtig gutes gemacht hat. Genau wie Hanke lässt sich Reus oft tief und auf die Außen fallen um das Offensivspiel seiner Mannschaft anzukurbeln.

Gladbach ist in diesem Sinne ein gutes Beispiel für ein modernes Team, das ohne richtigen Angreifer agiert. Reus ist ähnlich wie Messi eine falsche Neun, die überall agiert nur nicht minutenlang in der selben Position. Gepaart mit Tempo und Dribbelstärke hat Marco sich so zu einem der besten Spieler europaweit auf dieser Position gemausert. 16 Saisontore unterstreichen seinen besonderen Wert für die Gladbacher.

Der ähnliche Ansatz der beiden Teams

Das Hinspiel zeigte eine zu diesem Zeitpunkt vielleicht überraschende, aber doch mittlerweile auffällige Perspektive auf, nämlich das beide Teams sehr ähnlich agieren.

Beide Teams basieren ihren Erfolg auf einer soliden Defensive und sind damit ein Gegenbeispiel zu einem Offensiv-Team wie dem FC Barcelona (auch wenn deren Offensiv-Strategie gleichzeitig auch die Defensiv-Taktik ist, aber das würde hier den Rahmen sprengen). Aus dieser gut organisierten Defensive versuchen die Borussias mit schnellem Spiel in die Spitze zum Torabschluss zu kommen. 

Ein kleiner Unterschied ist hier, dass die Dortmunder oftmals einen Tick höher agieren als die Gladbacher und auch versuchen den Ball schneller zu erobern. Kein Team gewinnt mehr Bälle pro Spiel und läuft mehr als die Dortmunder, die ihren Gegner simpel formuliert einfach überrennen. Auch gibt es kein Team, dass mehr tackelt als die Dortmunder, diese Statistik ist in dem Sinne einzigartig, dass Top-Teams normalerweise nicht viel tackeln. Zonal Marking zeigt das in seiner Whoscored.com Analyse gut auf:
"...Possession also depends on how quickly you win the ball back once you’ve lost it, and Dortmund are absolutely superb at this. Their work rate and energy without the ball is remarkable, and they simply outrun and outfight their opponents. They make 27.1 tackles per game, more than anyone else in the Bundesliga, up from 25.4 per game last season. It is incredible that they are top of the league, yet also the most prolific tacklers – elsewhere in Europe that status is held by Sunderland, Chievo and Caen (all scrappy mid-table sides), or Gijon (in the relegation zone)."

Eine weitere Ähnlichkeit ist das beide Teams mit möglichst wenig Berührungen und möglichst direkt in die Spitze gespielt werden soll. Hierbei verfolgen beide Teams gleichzeitig auch eine Gegenpressing-Struktur, die dafür sorgen soll, dass man den Ball möglichst schnell und weit vorne gewinnt. Alternativ versucht man den Gegner zu einem langen Ball zu zwingen. Die Freunde von Spielverlagerung.de analysierten im Hinspiel richtig folgendes:
"Prinzipiell kann man das Defensivspiel auf drei Punkte eingrenzen: unter Druck setzen des ballführenden Gegenspielers durch Einkreisen, Provozieren von Fehlern und Absichern durch einen Teamkameraden nach dem Dreiecksprinzip. Neben den unterschiedlichen Zonen, in welchen dies stattfindet, dürfte der Unterschied sein, dass die Gladbacher das Provozieren von Fehlern durch Versperren der Passwege entstehen lassen, während die Dortmunder ähnlich wie Barcelona in den Mann gehen und teilweise durch eine robuste Zweikampfführung Bälle verstärkt im Bereich des direkten Zweikampfes erobern, als dass sie schlampige Pässe abfangen. Das Versperren der Passwege erfolgt in diesem Fall dann durch jene Spieler, die absichern oder den Gegner einkesseln, während bei Gladbach dies vom gesamten Kollektiv gemacht wird."

Fazit

Wer in diesem Duell Sommer-Fußball erwartet wird enttäuscht sein. Die Dortmunder werden, egal wie das Spiel der Bayern in Bremen ausgeht, ihr bewährtes Konzept durchziehen, ähnliches gilt für die Gladbacher.

Die Dortmunder wollen vor eigenem Publikum gewinnen und spielen ein Konzept- hohes Pressing und hohe Laufbereitschaft- dass man nicht so einfach abstellen kann. Ein Spieler wie Großkreutz wird nicht auf einmal fünf Kilometer weniger laufen, selbiges gilt für den Rest der Dortmunder Truppe. Wie die Dortmunder das Gladbacher Bollwerk knacken wollen ist eine andere interessante Frage. 

Auf Gladbacher Seite kann man wohl auf Reus zurück greifen, was dem Gladbacher Spiel eine ganz andere Komponente geben würde. Sowohl er als auch Hanke werden versuchen die Dortmunder Abwehr durch viele Läufe auseinander ziehen. Die Frage ist jedoch wer in diese Löcher stoßen soll, die beiden 6er sind nicht gerade für ihre Offensivläufe bekannt. Die Frage wird auch sein wie viel die Außenverteidiger zum Offensivspiel beitragen werden und wo Arango sich orientieren wird. Spielt er mehr zentral oder eher klassisch auf dem linken Flügel? Und wie weit bekommt der polnische Flügel der Dortmunder ihn und Daems nach hinten gedrückt?

Unterm Strich geht es für beide Mannschaften um etwas- Dortmund will seinen Fans einen Sieg schenken und danach die Meisterschaft feiern, während die Gladbacher natürlich liebend gerne noch den 3. Rang erreichen würden um für die neue Saison mit den vielen Champions League Millionen planen zu können. Von daher kann man ein taktisch hochinteressantes Spiel erwarten, nicht unbedingt torreich, aber sehr intensiv mit vielen Zweikämpfen und zwei Teams, die Kilometer fressen werden.

Fußballs-Fans können sich also auf ein flottes Spiel mit zwei hochmodernen Teams freuen, die beide mit schnellem Kurzpass-Spiel das Mittelfeld überbrücken wollen. Die Dortmunder wollen ihre Ungeschlagen-Serie auf 26 Spiele ausbauen, während die Gladbacher ihre Krise (4 Spiele ohne Sieg) mit dem 3:0 gegen Köln zum Teil überwunden haben (oder sich das auf jeden Fall einreden). Ein leichter Vorteil für die Dortmunder ist nicht zu bestreiten, die Gladbacher haben jedoch im Hinspiel bewiesen, dass sie aufgrund ihrer taktischen Stärke einer der unangenehmsten Gegner für die Dortmunder sind.



Daten von bundesliga.de und whoscored.com

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