Mittwoch, 25. April 2012

Barcelona scheidet aus und der Aufschrei ist groß


Was wurde nicht getitelt, als der FC Barcelona das Los Chelsea FC zog: "Ein Selbstläufer" würde es werden für Barcelona. Im allgemeinen mutmaßte man nach der Auslosung mehr wer der Gegner des FC Barcelona werden würde und ob diese als erstes Team den Champions League Titel verteidigen würden. Wie man sich doch täuschen kann. 

Wie wir alle wissen schlugen die Londoner den großen FC Barcelona über zwei Spiele und können nun heute Abend genüsslich auf den Finalgegner warten. Doch kaum war das Spiel in Barcelona beendet kamen die nächsten Kommentare, es war Hochsaison in den Sozialen Medien, besonders für die "Anti"-Fraktion. Ein Phänomen was man heutzutage auch als "Shit-Storm" bezeichnet.


Gehen wir kurz auf das Spiel ein. War es verdient, dass Chelsea weiterkam? Dies kann man sicherlich verschieden betrachten, zwei Interpretationen sind hier möglich. 

Die einen sagen nein, Barcelona hatte über zwei Spiele mehr als 75% Ballbesitz und 47 Torschussversuche. Die anderen sagen, Chelsea hat es sich aufgrund des Kampfes und der Effektivität, 3 Tore bei 4 Torschüssen über zwei Spiele, verdient. In meinen Augen haben beide recht. 

Chelsea hatte über zwei Spiele die notwendige Qualität und das notwendige glück, dass man braucht um Barcelona zu schlagen. Barcelona fiel über zwei Spiele nicht genug ein und die Chancen, die man hatte vergab man leichtfertig. Niemand wird abstreiten, dass Barcelona dem Spielverlauf entsprechend weiterkommen musste. Doch sie taten es nicht aufgrund einer Mischung aus eigenem Unvermögen und einem guten, besonders taktisch, und glücklichen Gegner. Deswegen ist Chelsea verdient weiter gekommen. Soviel zum Spiel. Was mich mehr interessierte waren die Reaktionen nach dem Spiel.






"Hahaha-das war eine schwere Woche für Barcelona Fans, was?" titelte der eine in Sozialen Netzwerken, der nächste sprach sofort von einem erneuten "Selbstläufer", diesmal für Real Madrid oder Bayern München im Champions League Finale. Das Barcelonas große Zeit vorbei ist wussten diese "Experten" ja sowieso schon nachdem man den Clasico verloren hatte. Das Barcelona auch das Rückspiel gegen Chelsea nicht gewinnen würde stand ja sowieso außer Frage, wenn man diese selbsternannten "Experten" fragte.









Natürlich, Barcelona hatte ja zwei Spiele in Folge verloren, da konnte man doch mal die großen Thesen und Tendenzen auspacken. Das selbe gilt nun für Chelsea und deren Chancen im Finale. Das schöne mit solchen Behauptungen ist ja sowieso immer, dass man sie im nachhinein nicht überprüfen kann, das wusste schon der große Nostradamus.


Chelsea, der absolute Outsider vor dem Duell mit den Katalanen, war vor (und selbst in der gestrigen Halbfinal-Partie) mehrmals abgeschrieben worden-am Ende setzte man sich durch. Sofort kam der nächste und proklamierte, dass Chelsea durch die Sperren im Finale chancenlos wäre. Ob er das selbe auch sagte, als Barcelona in Überzahl das 2:0 machte? Wurde Chelsea dort auch abgeschrieben? Das schöne ist, dass wir ja alle "Experten" sind und im nachhinein sowieso alles besser wissen. 


Hier startet die nächste Diskussion, die in meinen Augen auch viel über unsere Gesellschaft als ganze erzählt. Da Barcelona das Überteam der letzten 3-4 Jahre ist muss man natürlich eine Haltung zu den Katalanen haben. Es verhält sich in etwa so wie mit Apple-Produkten. Ist ein IPod cool oder ein Symbol der Ausbeutung billiger Arbeitskraft in China? Wieder kommt es auf den Winkel des Betrachters an. 

Grob formuliert kann man die Lager in vier Gruppierungen unterteilen. Es gibt diejenigen, die finden das Barcelona klasse Fußball spielt und sie mögen. Einfach weil es gut ist (vielleicht so wie ein IPod). 

Dann gibt es diejenigen, die mittlerweile meinen das Barcelona langweiligen Fußball spielt und deswegen in Ekstase verfallen sobald Barcelona verliert. Dies könnten neuerdings Fans von alternativen MP3-Playern sein.

Die dritte Kategorie sind Fans von Real Madrid, die ja quasi per Gesetz alles verteufeln müssen, was etwas mit den Katalanen zu tun hat. Also diejenigen, die schon immer lieber Sony MP3-Player haben wollten und finden, dass Apple "gar nicht klar geht." 

Die letzte Kategorie sind die "Patrioten" die Real spätestens richtig klasse finden, seitdem dort  Özil und Khedira mit von der Partie sind. Dies ist in etwa damit zu vergleichen, dass Sony von Grundig aufgekauft  wurde und damit nun deutsch ist. Wie es wohl aussehen würde, wenn Barcelona auf einmal Schweinsteiger und Hummels verpflichten würde?

Das interessante ist der Wandel, der sich vollzogen hat. Ich erinnere mich noch sehr gut daran, als Guardiolas Barcelona hervor kam und fast alle Fußball-Fans in meinem Umfeld völlig aus dem Häuschen waren. Also vergleichbar mit dem Hype sobald ein neues IPhone oder IPad rauskommt.

"Schöneren Fußball gibt es nicht, " oder "was die spielen ist Wahnsinn" hörte man nicht selten nach Barcelona-Spielen, doch diese Zeit ist vorbei. Denn mit dem Erfolg kam anscheinend auch der Neid und das fast schon kategorische dagegen-sein. Ein Klassiker in größtenteils allen Gesellschaften und Schichten in Deutschland, welcher unter Soziologen auch als "Neid-Gesellschaft" bekannt ist.

Ein gutes Beispiel stellt das gestrige Halbfinale dar. Es ist nicht meine Intension Barcelona zu verteidigen, ich zeige nur auf, dass man auf einmal mit einem zweierlei, neuerdings überwiegend negativen, Maß operiert. 

Wo das Spiel des FCB vor 1-2 Jahren noch erfrischend, außergewöhnlich und einzigartig war ist es heutzutage "Handball" geworden. Barcelona hatte 83% Ballbesitz und schied aus, dass Attribut was damit am ehesten in Verbindung gesetzt wurde war "klasse." Das typische Anti-Barca Argument ist "Ballbesitz gewinnt keine Spiele" und dies ist auch vollkommen richtig. 

Wieder lohnt es sich jedoch drauf zu achten, dass es vor noch nicht wenigen Jahren erstrebenswert war möglichst viel in Ballbesitz zu sein und mit Offensivfußball zu brillieren. Doch genau wie die Brasilianer unter Dunga auf einmal europäischer wurden will man auch das Barcelona wieder mehr wie alle anderen wird. Ansonsten wirken sie zu abgehoben, zu gut und die Neider kommen hervor. 

Als Barcelona dieses Spiel nämlich nahezu praktizierte begann man es zu kritisieren und wollte das Fußball "dreckig und schmutzig"  ist. Auf einmal schlug den Katalanen viel Anti-Sympathie entgegen, viele wendeten sich auch Real Madrid zu. Meine Frage ist wieso?

Auch im deutschen Fußball lässt sich dies beobachten. Hier ist Borussia Dortmund seit zwei Jahren das Maß aller Dinge. Die junge Dortmunder Truppe läuft sich die Lunge aus dem Leib, hat einen Trainer der diesen Einsatz vorlebt und war nicht erst seit der letzten Saison der Liebling aller "neutralen" Fußballfans. Sozusagen ein neuer "Meister der Herzen" (falls man diesen Begriff für den BVB verwenden darf, immerhin wird er ja dem Schalker attestiert). Warum? ganz einfach weil man ja in Deutschland auch aus Prinzip schon gegen den Rekordmeister aus München ist. Wie heißt es so schön, Neid muss man sich auch verdienen. Diesen haben sich die Borussen nun "erarbeitet" und so langsam kann man auch hier die ersten Kritik-Wellen sehen, nicht nur vom Lautsprecher Uli H. aus München.

Einige kritisieren die ungleichen Behandlungen die anderen Klubs im Gegensatz zum BVB wieder fahren. Sei es Subotics Auftreten nach einem verschossenen Elfmeter, das Benehmen des Duracel-Trainers an der Seitenlinie gegenüber Unparteiischen oder das Verhalten von Kevin Großkreutz und sein penetranter Hass gegen die Schalker. Nicht lange ist es übrigens her, dass man von Dortmunder Seite darüber klagte, dass der Bundestrainer nur Augen für die Schwaben-Lobby des VFB Stuttgart übrig hatte. Es geht also in alle Richtungen. 

Womit wir beim nächsten Thema wären, dem Hass gegen andere Vereine. Solange ich denken konnte war es mir immer etwas fremd wieso man als Dortmunder aus Prinzip gegen Schalke sein muss, wieso man Bayern doof findet, weil sie eben die Bayern sind und wieso Hamburger eben finden dass St. Pauli Fans "Zecken" sind und Bremer "Fischköppe." 

Wir sprechen immer noch von Fußball, einer Freizeitbeschäftigung, einem Zeitvertreib, einem Hobby. Trotzdem kann man sich diebisch dadrüber freuen, dass Barcelona ausgeschieden ist oder Borussia Dortmund eine richtig miese Saison gespielt hat aber eben Schalke die Meisterschaft versaut hat (wie vor einigen Jahren). Ebenfalls können St. Pauli Fans feiern, weil sie einen Derby-Sieg über den HSV errungen haben (und gleichzeitig abgestiegen sind, aber das ist ja nebensächlich), während die HSV-Fans sich darüber freuen, dass die "Zecken" wieder abgestiegen sind (obwohl man selber ebenfalls eine enttäuschende Saison mit internen Streitereien erlebt hat). 


In dieser Saison wünschten sich dann viele Bayern- und Dortmund- Fans dass der HSV das erste Mal in seiner Vereinsgeschichte absteigen würde. Anscheinend ist es nicht genug sich zu freuen, dass man Meister wird oder in das Pokalfinale einzieht, nein man muss sich auch über den Misserfolg anderer ergötzen. Der Kreis schließt sich und wieder und diese Liste könnte unendlich fortgeführt werden. Wieder fragt man sich, warum?

Fußball kann so schön einfach sein. Wenn meine eigene Mannschaft es nicht bringt kann ich mich immer noch darüber freuen, dass es anderen, sogenannten "Rivalen", noch schlimmer geht. Auch dies ist ein bekanntes Phänomen. Ähnlich verhält es sich auch mit den Fußball-Romantikern und den "neuen" neureichen Vereinen.

Mein Lieblingsbeispiel ist hier Manchester City. Ein Klub, der durch massive Investitionen von einem mittelmäßigen Premier League Verein zu einem Topklub wurde, rabiate Einkaufspolitik inklusive. Dies ist vielen Fußballfans ein Dorn im Auge, von daher dürfen alle Meister werden, nur nicht die blauen aus Manchester. Das diese seit Jahren der Lieblingsklub der Einwohner in Manchester sind und diese seit Jahren ihr Team supporten ist nebensächlich. Es ist hier nur leicht ironisch, dass ein Verein wie Chelsea genau das selbe Schicksal wieder fahren ist vor etwas weniger als 10 Jahren,  und auch Manchester United über Jahre hinweg systematisch eingekauft hat. Der Unterschied ist, dass City diese Summen in 3 Jahren ausgegeben hat, aber wo sind die anderen gravierenden Unterschiede? 


Wenn man das ganze auf die Spitze treiben will kann man auch auf die Transfers von Real Madrid in den letzten 5 Jahren verweisen, dies tun jedoch wenige, wenn sie sich über Manchester City aufregen. Trotzdem feiert man den Underdog Chelsea und drückt dem Glazer-Klub die Daumen im Meisterrennen. Es ist eben immer eine Frage der Perspektive. Mit dem Begriff Tradition fangen wir am besten gar nicht erst an, man könnte ja an das Unding des SV Sandhausen denken, die mit nur 700 Mitgliedern in die 2. Bundesliga aufgestiegen sind. Ein Skandal, wo bleibt dann da die Stimmung und Tradition? Vielleicht sollte man in Zukunft erst einmal einen Fan-Test einführen, damit wir nur stimmungsgewaltige Klubs begrüßen?

Im politischen Bereich gibt es oft die Maxime, dass man sich am besten positiv definieren sollte anstatt negativ. Ein Beispiel hierfür ist die Abtreibungsdebatte in den USA. Anstatt das man für oder gegen Abtreibung ist nennen sich die Lager "Pro-Life", gegen Abtreibung, und Pro-Choice, für das Recht der Abtreibung. Dies ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass Politik in den letzten Jahren mehr und mehr aus Grabenkämpfen besteht sind und man grundsätzlich erst einmal das Programm/die Leistung der anderen schlecht reden muss. Bei ähnlichen Ansätzen einen Kompromiss zusammen erarbeiten? Aber nein doch, immer dagegen sein. Und wie wunderbar man damit doch auch durch das Leben kommt, wer erinnert sich nicht an den Protest der 99% gegen die Allmächtigen 1%. So um und bei kann man den Protest gegen Barcelona ja auch verstehen, wenn man dann möchte. 

Wir verteufeln die Handballer aus Barcelona, Fußballer missbrauchen ein Pokalspiel zwischen Fürth und Dortmund für ihre penetranten Anfeindungen und dem Stadtrivalen oder "Lokalrivalen" (mittlerweile ist ja selbst aus Hamburg-Wolfsburg ein Nord-Duell geworden) wünscht man nur das schlechteste. Willkommen in einer Gesellschaft, die sich oft lieber als Anti" irgendetwas definiert, aber selten "Pro-" etwas. 

Das Barcelona durch sein Spiel und eben die Fähigkeit jedem Gegner das "Handball"-ähnliche Spiel aufzuzwingen (und dies nicht für eine Saison, sondern seit mittlerweile 3-4 Jahren) etwas einmaliges und besonderes für den Fußball ist bemerkt kaum noch einer. Wie wäre es sich über diese Entwicklung zu freuen, da wir auf einmal in einem Champions League Halbfinal-Rückspiel ein 3-3-4-System sehen und einen Drogba als überragenden linken Außenverteidiger beobachten können? Wieso erfreut man sich nicht an Barcelonas schönem Spiel und zieht den Hut vor Chelseas heroischem Einsatz,  erfreut sich an einem grandiosen Spiel, anstatt immer für das eine und gegen das andere zu sein?

2 Kommentare:

patti hat gesagt…

ein schöner Nachtrag! :)

nunja viele der beschriebenen Probleme oder Tatsachen sind aber häufig alt wie die Menschheit selbst. Es gibt immer das Gute das Böse. Die Ravalität und den Hass. Den Neid und die Schadenfreude.

Für mich war das gestern auch ein super Spiel einfach. Emotionen pur (sagt man so schön). Das Chelsea weiter ist, ist bemerkenswert. Letzendlich haben sie es geschafft, obwohl alle Zeichen gegen sie standen. Andererseits heizen Aktionen wie die von Terry auch immer wieder an. Sowas lässt sich nicht steuern, oder vermeiden.

Ich war auch schonmal fuchsteufelswild, als Werder gegen die 90 Minuten mauernden Glasgow Rangers ausschied. Ein furchtbares Gefühl! Aber so ist das manchmal. Da war ich auch Anti Defensivbollwerk Fußball und zutiefst erschüttert, dass Werder so beherzt gespielt und alles versucht hat, vergebens.

Rudelbildung hat gesagt…

Stimme ich dir vollkommen zu, Patti, die Welt ist für viele immer Schwarz und Weis. Das dies sich de Facto nicht so verhält ist dann natürlich die andere Sache.

Generell bin ich nicht gegen "Anti Defensivbollwerk Fußball" ich denke das geht auch aus dem Artikel hervor.

Ich wehre mich gegen Schlaumeier und Shit-Storm, sowie eine Gesellschaft in der wir immer Anti sind und uns darüber mehr und mehr definieren anstatt einfach mal positiv zu sein.