Dienstag, 24. Januar 2012

"Kein Zwanni für`n Steher" - hat der Fußball seine occupy wall street Bewegung bekommen?

Am vergangen Wochenende protestierten mehr als 500 Fans, der Großteil von ihnen Dortmunder, vor der Imtech Arena des Hamburger Sportvereins unter dem Slogan „Kein Zwanni für’n Steher."

In Protest gegen die hohen Eintrittspreise in der Imtech Arena hatten die Fans sich versammelt und wie zu Opas Zeiten das Spiel per Radio verfolgt. 19 Euro wollte der HSV für eine Stehplatzkarte haben, 45 Euro für  einen  Sitzplatz im Gästeblock. Dies empfanden viele Fußballfans als zu teuer und forderten, dass Fußball auch weiterhin bezahlbar sein müsse.

Borussia Dortmund versuchte sich in dem Spagat sich von der Aktion nicht zu distanzieren, auf der anderen Seite aber auch eine Grenze zu ziehen. Vorstandsvorsitzender Hans-Joachim Watzke wählte seine Worte mit bedacht und urteilte das dies kein Thema von Borussia Dortmund sei, sondern ein Thema der Fans von Borussia Dortmund. 

Rhetorisch sehr gut formuliert erläuterte Watzke weiter: 

„Wir haben nun einmal die Marktwirtschaft in Deutschland. Ich kann verstehen, dass es Leute gibt, die diese Preise nicht zahlen wollen. Offensichtlich aber gibt es genügend, die es tun. Und der HSV kann die Preise fordern, die er meint zu bekommen.“

Soweit so gut. Doch die Frage ist inwieweit der Dortmunder Vorstandsvorsitzende hiermit recht hat: Ist es nur eine Sache der Fans, oder sollte es auch eine Sache des Vereins sein? Sollte ein Verein sich auf die Seite der Fans stellen und ist es realistisch in der heutigen Welt dafür zu kämpfen, dass Fußball nicht teurer und weiterhin bezahlbar bleibt? 

Eine weitere Frage ist nach wem sich der Begriff  "bezahlbar" richtet; ist es nach den Ärmsten der Gesellschaft oder jemand mit einem soliden Mittelschicht einkommen - was ist bezahlbarer Fußball?

Auch lohnt sich ein Blick über die Grenze: Im internationalen Vergleich sind die Ticketpreise in Deutschland deutlich niedriger als in der italienischen Serie A oder der englischen Premier League zum Beispiel.  Allerdings muss man hier auch beachten, dass die Eintrittspreise in Deutschland stärker ansteigen als das durchschnittliche Preisniveau generell. Und es ist fraglich, ob man die Ticketpreise in anderen Ländern zum Vergleich benutzen kann, da das Thema Eintrittspreise komplexer ist als ein Europaweiter Vergleich.

Trotz Fanprotesten verzeichnet die Bundesliga Jahr für Jahr wieder einen neuen Zuschauerrekord und die Stadien sind im Schnitt zu 94% ausgelastet. Alleine in den letzten 4 Jahren verzeichnete die Bundesliga einen Zuwachs von über 6000 zusätzlichen Fans pro Spiel, während die Zahlen in der Premier League stagnierten. 

Dies muss allerdings in Relation zu der Besetzung der Premier League gesehen werden. Mittlerweile spielen viele "kleinere" Teams in der Premier League; wirft man einen Blick auf die Zuschauerzahlen dieser Saison sieht man, dass die Hälfte der 20 Teams einen Zuschauerdurchschnitt von unter 30.000 Zuschauern zu Verzeichnen haben. Sechs von diesen Teams haben nicht einmal 25.000 Fans durchschnittlich zu ihren Heimspielen. Zum Vergleich gibt es in Deutschland nur 4 Teams mit weniger als 30.000 Zuschauern im Durchschnitt und nur eins mit weniger als 25.000 - den SC Freiburg.

Die DFL weist in ihrem Bericht aus dem Jahre 2007 drauf hin, dass die Preise mit durchschnittlich 18,80 auch weiterhin sozialverträglich seien, jedoch diese Preise stehen natürlich nicht mehr im Verhältnis zur Entwicklung der letzten Jahre. Insbesondere der sogenannte Topspielzuschlag und der Begriff der "moderaten Preiserhöhung schlägt vielen Fans sauer auf, da sie es in keinster weise als moderat oder angemessen empfinden. 

Die entscheidende Frage ist jedoch vielmehr: Können Initiativen wie „Kein Zwanni für’n Steher" eine Veränderung herbeiführen und die Eintrittspreise zurück schrauben? Und wenn ja, wie sollte dieses Projekt realisiert werden; ist es durch Stimmungsboykott der Zuschauer?Ist es durch Stadien, die nur zur Hälfte gefüllt sind? Ist es durch massive Berichterstattungen der Medien? Oder liegt die Wahrheit wie so oft irgendwo in der Mitte?

1 Kommentar:

Christopher hat gesagt…

Eintrittspreise sind immer so eine Sache. Als Eishockeyfan bekam mein Geldbeutel das jahrelang deutlich zu spüren. Die anderen Zuschauer und ich nahmen dies in Kauf, da wir wussten, dass unser Team (Augsburger Panther) das Geld brauchte, um überhaupt zu Überleben. Da auch die Gehälter der meisten Eishockeyprofis recht niedrig sind, hat man beim Eishockey nicht das Gefühl ausgebeutet zu werden (außer bei den Catering Preisen ;) ).

Im Fußball ist es zumindestens in der 1. Fußball Bundesliga ganz anders, meiner Meinung nach. Ich kann das aus Sicht der Augsburger Fans am besten verstehen. Vor ein paar Jahren konnte man noch für unter 10 Euro den FCA zuschauen, es herrschte eine gute Atmosphäre und man hatte noch recht viele Freiheiten (freie Stehplatzwahl etc.). Zum Teil saßen alle auf den Stehplätzen wenns trocken war.
Seit dem Bundesliga Aufstieg hat sich das geändert. Normalpreis ist bei 13€ im Vergleich noch niedrig, aber es trifft die treuen Fans, die vor 4/5 Jahren auch bei Regen im Stadion standen und hinter dem Team standen. Sie fühlen sich von "ihrem" Verein betrogen. Während es die Verantwortlichen mit gestiegenen Kosten (Kader, Stadion, Sicherheit, etc.)rechtfertigen, können die Kollegen in Hamburg und anderen Städten dies nicht unbedingt. Wie bei allem muss verglichen werden, was in der Vergangenheit geboten wurde. Wie sieht es da beim HSV aus? Ist das Fußball-"Event" besser als die Jahre zuvor?
Sind zumindestens die Fans, die es sich weiterhin leisten können, mit den höheren Preisen einverstanden?

Ich denke man kann es den Vereinen nicht übel nehmen aus ihrem Produkt Kapital zu schlagen. Gerade wenn die Auslastung der Stadien trotz allem über 90% liegt, macht es wenig Sinn auf Geld zu verzichten. Hier wäre es lediglich wünschenswert, jahrelangen Dauerkarteninhabern einen Preisnachlass zu gewähren. So könnte man es für die treuen Fans erschwinglicher machen.

Zudem, kann man den Begriff "bezahlbar" am einfachsten nach der Auslastung richten, und diese zeigt im Moment, dass es im Durschnitt auf jeden Fall bezahlbar ist.

Zur Rolle des Vereins, gebe ich Hans-Joachim Watzke recht. Außerdem liegt es an jedem Verein und dessen Fans, die eigene Preispolitik zu diskutieren. Andere Vereine und Gästefans müssen dies respektieren. Einzig, wenn Gästefans beim Kartenverkauf benachteiligt werden, sollte deren Verein den Dialog mit den Gastgebern aufsuchen.

Kurzfristige Proteste sind wirkungslos. Sollten langfristig viele Zuschauer wegbleiben, müsste der Verein reagieren. Das gleiche gilt für Berichterstattungen durch die Medien. Nur wenn es wirklich wochenlang passiert, kann es zu einer erfolgreichen Preissenkung führen. Dabei muss man sich aber im Klaren sein, inwiefern es dem geliebten Verein trifft. Damit meine ich nicht die finanzielle Seite, sondern das Anfeuern der Spieler, die Stimmung im Stadion etc. Sobald sich Proteste negativ auf die Mannschaft auswirken, hat man ein Eigentor geschossen. Und die Vereine wissen das ganz genau.

Daher denke ich, dass man wohl die höheren Preise schlucken muss oder am besten fernbleiben und lieber einen kleineren Lokalverein/die Amateurmannschaft/die Jugend unterstützen. Die freuen sich über jeden weiteren Zuschauer und bieten auch recht anspruchsvollen Fußball.

Christopher